Tessin, Schweiz

Juni 2013

Locarno… Ascona…Lago Maggiore. Ahh… klingt nach Sonne und bella Italia


Aber auch, wenn wir in jedem Moment das Gefühl hatten, in Italien zu sein, so liegen die genannten Orte doch auf der Alpensüdseite im Kanton Tessin, dem italienischen Teil der Schweiz.  Und genau dorthin machten mein Mann und ich uns am Donnerstag Vormittag auf den Weg. Er hatte am Freitagabend mit seiner Band ein Engagement in Locarno und so waren die zwei Tage im Tessin für ihn eine Mischung aus Arbeit und Freizeit und für mich das reine Vergnügen.

Wir wählten die Route über Chur Richtung San Bernardino, freuten uns am schönen Wetter und der Verkehr hielt sich auch in Grenzen. Irgendwann auf der Autobahn überholten uns ein paar Motorradfahrer. Erster Fahrer: … wow … schicke Harley, passendes Outfit. Zweiter Fahrer: gleicher Kommentar. Dritter Fahrer: Himmel, was war das denn? Ich musste schallend lachen bei dem Anblick, der mir schon unter normalen Umständen die Tränen in die Augen treibt … Sandalen mit Socken! Als Harley-Fan und ehemalige Motorradfahrerin habe ich mich gefragt, was der Fahrer wohl angestellt hat, dass die anderen beiden ihn so mitgenommen haben wink.

Bevor wir den San Bernardino Tunnel in Angriff nahmen, machten wir einen Kaffee-Halt in einer typischen Schweizer Beiz am Sufener Stausee.


Auf der kleinen Terrasse des Gasthauses teilte uns die Wirtin erst einmal mit stoischer Ruhe mit, dass es gerade fürchterlich geregnet hätte und die (Plastik-)stühle nass seien. Sie würde uns aber gern aus dem Inneren der Wirtschaft ein paar Holzstühle holen. Gesagt, getan. Genau das Gleiche erzählte sie auch den drei oder vier anderen Gästen, die sich nach und nach einfanden und schleppte eifrig Stühle nach draussen. Ich überlegte mir in der Zwischenzeit, ob man wohl drei oder fünf Minuten gebraucht hätte, um die Plastikdinger abzuwischen smiley. Aber der Kaffee war gut und wir genossen in der warmen Sonne den Blick auf den malerischen Stausee.

Wir fuhren weiter Richtung San Bernardino Tunnel, der 1967 eröffnet wurde und mit einer Länge von 6,6 km den Kanton Graubünden mit dem Tessin verbindet. Nach dem Tunnel ging die Fahrt über gewundene Serpentinenstrassen wieder den Berg hinunter und der italienische Einschlag war schon deutlich zu spüren. Es dauerte noch weitere 40 Kilometer, aber dann …

An der Hauptstadt des Tessins – Bellinzona – vorbei, waren es noch 30 Minuten bis Locarno. Wir hatten das Hotel Nessi gewählt. Es war gar nicht so einfach, um diese Jahreszeit eine Unterkunft zu finden, die Hauptreisezeit hatte wohl schon begonnen. Aber das Nessi ist zentral gelegen zwischen Locarno und Ascona und vor allem nicht weit entfernt vom Palazzo Fevi, wo mein Mann am Freitag abend Musik machen sollte. Es ist ein relativ kleines Stadthotel, in einer Seitenstrasse gelegen mit einer klaren Einrichtung. Nicht luxuriös, aber sehr ansprechend mit allem ausgestattet, was man benötigt. Wir waren sehr zufrieden mit unserer Wahl.

Tipp: eines der Eckzimmer buchen. Sie sind sehr geräumig und haben einen schönen Balkon mit Blick auf den Pool. Das Hotel war blitzsauber und die Angestellten freundlich und hilfsbereit. Das Frühstück liess auch keine Wünsche offen, vor allem gab es sensationell gutes Brot. Die Abfahrt in die Tiefgarage des Hotels ist abenteuerlich … sehr  schmal und sehr steil. Bevor man am Abend das Auto abstellt, sollte man besser nicht zu tief ins Glas geguckt haben smiley.

Der Inhalt unserer kleinen Köfferchen war schnell verstaut. Wir wollten noch einen Abendbummel durch Ascona machen und fragten an der Rezeption, wie wir dort am besten hinkommen. Die Bushaltestelle war nur zwei Strassen weiter. Die kurze Fahrt mit der Linie 1 ging über den Fluss Maggia, der Locarno von Ascona trennt. An einer der Haltestellen sah ich aus dem Fenster einen alten Friedhof und beschloss, mir diesen am nächsten Tag einmal näher anzusehen.

In wenigen Minuten waren wir ins Ascona, der ‚Perle des Lago Maggiore‘, im Hintergrund mit gerade mal knapp 200 Metern Höhe der Monte Verità, der angeblich ein mysthischer Ort sein soll. Das Knurren, das ich hörte, hatte allerdings wenig mit Mysthik zu tun, sondern mehr mit der Lust auf etwas Essbares. An diesem Abend bummelten wir nur kurz durch die Gässchen von Ascona. Einerseits, weil der Himmel bedrohlich dunkel wurde und andererseits wusste ich, dass ich am nächsten Tag noch ausgiebig Zeit haben würde, das Städtchen anzuschauen.


Wir schlenderten die Promenade entlang und hofften, noch gemütlich irgendwo essen zu können, bevor das Gewitter losgehen würde. Überall auf der Piazza waren Bühnen aufgebaut und vor uns sahen wir ein riesiges Festzelt. Überraschung: vom 21. – 29. Juni findet das ‚Jazz Ascona‘ statt mit allem, was auf diesem Gebiet Rang und Namen hat. Nur … es war erst der 20. Doch wir hatten Glück … die grossen Programmtafeln informierten uns, dass am Abend im Festzelt ein Pre-Opening stattfinden sollte. Bis zum Beginn hatten wir noch genug Zeit, etwas zu essen und wir wählten hierfür die Terrasse des Hotels Tamaro. Bei hausgemachter Tomatencremesuppe, wunderbarer Bruschetta und Vino schauten wir den vorbei flanierenden Menschen zu.

Mein Blick fiel auf den Lago Maggiore vor mir und auf ein altes Paar, das offenbar ebenfalls die Stimmung genoss und sich lebhaft unterhielt. Das Bild vermittelte soviel beschauliche Zweisamkeit, dass ich dachte, so möchte ich auch einmal dort sitzen, wenn ich alt bin. Also ich meine … noch älter smiley.


Kurz vor 20 Uhr machten wir uns auf den Weg ins Festzelt, das schon ziemlich voll war. Das Jazz Festival wurde eröffnet vom ‚International Hot Jazz Quintet‘ mit der Bassistin Nicki Parrott als special guest. Und sie war wirklich ’special‘. Die Musik war vom Feinsten und ich habe noch nie eine Frau gesehen, die mit einer solchen Leidenschaft und Geschwindigkeit die Saiten ihres Basses bearbeitet. Sehr schade … ich habe sie leider nicht aufs Bild bekommen.

Jeder Einzelne der Musiker beherrschte sein Instrument perfekt und wir hörten eine ganze Zeit begeistert zu. Es blitzte schon vereinzelt und die Gewitterfront kam immer näher. Ausserdem ging ein kalter Wind. Wir machten uns also so langsam auf den Weg zurück zum Hotel. An der Haltestelle wartete der Bus bereits und ich hatte eine Frage an den draussen stehenden Fahrer. Was der gar nicht lustig fand, daddelte er doch verbissen auf seinem Handy rum. Schlussendlich quetschte er doch noch eine Antwort hervor, nicht, ohne vorher sein Missfallen wegen der Störung kundzutun. Danke, du … kleine unfreundliche Kugel … du.

So schnell gingen die ersten paar Stunden im Tessin vorbei, aber ich hatte ja noch den ganzen nächsten Tag. Im Hotel angekommen, nahmen wir noch einen Schlummertrunk auf dem kleinen überdachten  Sitzplatz vor der Nessi-Bar. Es war jetzt relativ kühl und regnerisch und ich konnte mir zu diesem Zeitpunkt gar nicht vorstellen, dass es am nächsten Tag tatsächlich die angekündigten 26 Grad haben sollte.

Hatte es aber, Gott sei Dank. Wie schon erwähnt, dass Frühstück im Nessi war prima und – wie ihr aus einem anderen Reisebericht bereits wisst – kann man uns mit so einem guten Start in den Tag schon sehr happy machen. Anschliessend fuhren wir zum Palazzo Fevi – das Auto bis unters Dach voll mit Instrumenten und Musikanlage – um dort mal die Lage zu checken. Die Vorbereitungen für den Grossanlass am Abend waren bereits in vollem Gange. Wir liessen das Auto stehen und fuhren mit dem Bus nach Locarno. Wenn wir gewusst hätten,wie nah die Stadt ist, wären wir zu Fuss schneller gewesen.  Mein Mann hatte sich erst um die Mittagszeit mit einem Kollegen zum ausladen verabredet, so dass wir noch ein bisschen am See entlang bummeln und einen Cappuccino trinken konnten.

Dann trennten sich unsere Wege vorläufig. Mein Mann fuhr zurück ins Fevi und ich blieb noch ein bisschen in Locarno, dessen Zentrum – die Piazza Grande – gesäumt wird von Cafés und Restaurants. Und Banken … 

Locarno ist ja bekannt für sein Internationales Filmfestival und das Musikfestival ‚Moon and Stars‘. Hier treten jeweils Musiker aus der internationalen Pop- und Rockszene auf. Viele von ihnen haben sich auf Steinen am Rande des kleinen Stadtparks verewigt.

Ich kann gar nicht mal genau sagen, warum. Aber mir persönlich gefällt Ascona besser als Locarno, es ist irgendwie … gemütlicher dort. Obwohl die Umgebung von Locarno wunderschön ist. Bei unserem letzten Besuch im Tessin wohnten wir in Orselina oberhalb von Locarno. Von dort brachte uns jeweils die Seilbahn Funicolare runter in die Stadt.

Eine Wanderung oder einen Spaziergang durch das wunderbare, wildromantische Verzascatal kann ich nur jedem empfehlen. Die Farben des Flusses Verzasca sind ein Traum.

Im Verzasca Tal kann man die bekannte Brücke Ponte dei Salti aus dem 17. Jahrhundert oder die berühmte Staumauer – bekannt aus dem James Bond Film ‚Goldeneye‘ – bewundern.

Aber kehren wir in die Gegenwart zurück …

Es war inzwischen bereits nach Mittag und da mein Mann und ich abgemacht hatten, uns ‚irgendwann‘ wieder im Hotel zu treffen, beschloss ich, zu Fuss dorthin zurück zu laufen. Da ich allerdings weiss, dass ich mit meinem Orientierungssinn keinen Wettbewerb gewinnen kann, nahm ich das Handy zur Hilfe. Doch Frau Navi schien beleidigt zu sein … jedenfalls sprach sie kein Wort mit mir (wie sich später herausstellte, war das ausnahmsweise mal nicht mein Fehler wink). Also der Nase nach.

Noch einmal die Piazza Grande umrundet und dann Richtung … Norden? Süden? keine Ahnung! … verlassen. Hügelaufwärts halt (siehe Orientierungssinn). Die Strässchen wurden leerer. Es ging durch Unterführungen und Wohnquartiere. Und Frau Navi rührte sich immer noch nicht. So spazierte ich eine Viertelstunde und plötzlich dachte ich … das Haus kenn ich doch. Nein, ich war nicht am Hotel angelangt, sondern am Palazzo Fevi. Na so ein Zufall aber auch. Und ich stellte einmal mehr befriedigt fest, dass ich schon nicht verloren gehe.

Mein Mann lud mit zwei Musikerkollegen immer noch das Equipment aus und ich wartete im Restaurant auf ihn. Wenn ich schon mal da war, konnten wir ja auch miteinander ins Hotel zurückfahren. Dort überlegten wir uns, es wie die Italiener zu machen … noch eine Kleinigkeit essen gehen und anschliessend – Siesta. In der Nähe hatten wir eine Pizzeria entdeckt. Wir wollten einen Salat, aber es gab nur Pizza. Na dann, Pizza. Ich kann mich noch gut erinnern, dass mein verehrter Ex-Chef – grosser Italienfan – immer gesagt hat, in Italien könne man auch in der letzten Spelunke noch gut essen. Boss … dann hast du aber noch nicht hier gegessen. Von Pizza hab ich erstmal genug. Hm … vielleicht hat er ja doch recht. Ich vergess immer wieder, dass wir ja gar nicht in Italien sind … wink.

Am Nachmittag machte ich mich dann nochmal auf nach Ascona, diesmal allein. Und ich machte einen Zwischenstopp, um den alten Friedhof zu besichtigen. Ich ging durch den Eingang in der hohen Mauer und wie durch ein Wunder blieb der Lärm der vielbefahrenen Strasse draussen. Die Ruhe tat gut und ich blieb vor dem einen oder anderen alten Grabmal stehen, die fast immer mit Bildern geschmückt waren. Sehr alte Bilder. Sie erzählten Geschichten. Doch so leise, dass ich sie nicht verstehen konnte. Genauso leise verliess ich den Friedhof wieder. Mit einem friedlichen Gefühl.

Der nächste Bus nach Ascona liess nicht lange auf sich warten und ich schlenderte bei wunderbarem Sonnenschein durch die schon bekannten Gässchen Asconas. Vorbei an Schmuckläden und vielen kleinen Boutiquen. Vorbei  ist wörtlich zu nehmen, es lief mir tatsächlich nichts über den Weg, was ich jetzt unbedingt haben musste. Ich war doch nicht etwa krank wink ? Bei Cappuccino und Kuchen freute ich mich über ein seltenes Geschenk: Zeit. Herrlich … einfach nur in der Sonne sitzen und gar nichts zu müssen.

In Ascona gibt es das wunderbare Hotel ‚Seeschloss‘ mit einem grossen mediterranen Garten. Wahrscheinlich nicht zahlbar, aber schön anzuschauen.


Beim Anblick der Autos auf dem Parkplatz fragte ich mich, wieviel an Wert hier wohl so rumsteht. Wie immer verging die Zeit viel zu schnell, es war fast Abend und mit einer Zeitung bewaffnet, fuhr ich zurück ins Hotel. Das war ein richtig schöner Tag. Im Nessi machte ich es mir auf dem Balkon gemütlich, las meine Zeitung und beschloss, im Restaurant des Palazzo Fevi zu Abend zu essen. Der Portier erklärte mir, wie ich zu Fuss dorthin komm. Sei sehr einfach, meinte er. Es war tatsächlich einfach … wenn sogar ich das Ziel auf Anhieb fand.

Es fing an zu tröpfeln, blieb aber warm und die grosse Restaurant-Terrasse war überdacht. Eigentlich ging ich davon aus, dass ich allein essen muss und freute mich deshalb um so mehr, als ich sah, dass die Musiker im Fevi wegen der vielen Ehrungen des Firmenanlasses eine längere Pause hatten. Ausser mir war noch eine andere ‚Musiker-Frau‘ dort, so dass wir alle miteinander essen konnten. So hatten wir in grosser Runde eine Stunde Zeit zum plaudern und ich bin ganz unerwartet zu einem gemütlichen Abend gekommen.

Am nächsten Tag nach dem Frühstück ging es bereits wieder nach Hause. Eigentlich wollten wir zurück über den St. Gotthard fahren, wählten dann aber doch die Route über den San Bernardino, da bezüglich Gotthard Stau gemeldet war. Obwohl unser Besuch im Tessin diesmal sehr kurz war, hatte ich das Gefühl, einen kleinen Urlaub gehabt zu haben.

Und so war es ja auch.

Arrivederci Ticino!
Eure Sue

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