St. Petersburg, Russland

Juli 2015

Babuschka und Minirock


Wir – meine Freundin und ich – freuten uns schon seit vielen Wochen auf unseren Kurztrip nach St. Petersburg. Irgendwie war das exotisch – Russland, geheimnisvolles Land der Zaren. Na ja … und Putin’s. Was wüde uns wohl erwarten?

Erstmal erwartete uns der Zürcher Flughafen. Und dort wurde uns eine einstündige Verspätung unseres Fluges angekündigt. Wegen technischer Probleme. Das fing ja gut an. Aber wir machten das beste daraus und zwar in flüssiger Form. Und dies im Montreux Jazz Cafe. Schon wieder Montreux …

Das Glas Sekt stand kaum vor uns, als uns auffiel, dass ‚unsere‘ Wartezone plötzlich ziemlich leer war. Sehr merkwürdig. Hatten wir eine Durchsage verpasst? Aber so bedüdelt waren wir doch noch gar nicht … Tatsache war aber, dass wir offenbar die letzten im Flugzeug waren und die Tür hinter uns sofort geschlossen wurde. Äh .. ja, was ist … kann losgehen 🙂

Der Flug war angenehm ruhig und ich genoss die wechselnden Wolkenbilder. Ich hatte an verschiedenen Orten gelesen, dass man das mitgebrachte Geld im Flugzeug deklarieren müsste. Das war nicht der Fall. Niemand interessierte sich dafür, wieviel oder wie wenig wir nach Russland einführten. Auch gut.

In Russland gelandet, sassen die Zöllner einzeln in einer Art Glashäuschen, eines neben dem anderen. Jeder Passagier musste vor der Glasscheibe antreten, seinen Pass durchreichen und wurde streng gemustert. Nachdem sämtliche Daten den Weg in den russischen Computer gefunden hatten, machte es nur noch peng peng peng … die Stempel knallten in den Pass und auf irgendwelche Formulare und das war’s.

Das Hotel hatte uns einen Fahrer geschickt und eine exakte Beschreibung, wo dieser in der Ankunftshalle zu finden wäre. Und tatsächlich – dort stand er. Genau an der angegebenen Stelle vor dem Starbucks (… ob die Stelle markiert war 😉 ?) Der junge Mann begrüsste uns in freundlichem Englisch und ging vor uns her ins Parkhaus. Toll. Wir waren in Russland. Erwähnte ich schon, dass der Driver fuhr wie ein Henker? Bei dem dicht gedrängten Verkehr, den wir auf dem Weg ins Hotel erlebten, musste das wohl so sein. Ich schätze, sonst kam man hier nicht weit. 

Ach ja … unser Hotel. Wenn ich nur daran denke, wird es mir warm um’s Herz. Unsere Bleibe für die nächsten 3 Tage war das Alexander House. Hierhin würde ich jederzeit zurückkehren, sollte die Reise noch einmal nach St. Petersburg gehen. Von aussen eine Art Herrschaftshaus, dem man das Hotel nicht ansah. Nicht mal einen Hinweis gibt es, dass es sich hier um ein Hotel handelt. 

Im schmalen Eingang mit der kleinen Reception begrüsste uns Ekaterina, als wären wir alte Bekannte. Bis dahin hatten wir nur einen freundlichen Mailkontakt, da sie uns die für das Visum erforderlichen Einladungsschreiben geschickt hatte. 

Wenn ich allerdings an die komplizierte Beschaffung des Visums denke, führt mich mein Weg nicht mehr so schnell nach St. Petersburg. 

Aber ich war ja bei einem erfreulicheren Thema stehen geblieben, dem Alexander House, einem der charmantesten Hotels, in dem ich je war. Im 19. Jahrhundert gehörte dieses Haus wohl einem wohlhabenden russischen Kaufmann. Die Familie Zhukov hat es später gekauft und versucht, ihm sein ursprüngliches Aussehen zurück zu geben. In diesem Hotel, das gar nicht wie ein Hotel wirkt, fühlt man sich einfach nur zu Hause. 

Jedes der 20 Zimmer ist einer anderen Stadt gewidmet: Nairobi, Stockholm, Köln … die Einrichtung entspricht dem Stil des jeweiligen Landes. Wir wohnten im ‚Copenhagen‘, einem gemütlichen Dachzimmer mit grossem Bad und Blick auf die wunderbare Kuppel der Nikolaikirche. 

Das Alexander House ist zu Fuss gute 20 Minuten vom berühmten Zentrum St. Petersburgs, dem Newski-Prospekt, entfernt. Der Spaziergang dorthin ist allerdings nicht sonderlich spannend … immer am Kanal und an Autoschlangen entlang, wie wir an diesem Nachmittag feststellten.

Im Zentrum angekommen, schlenderten wir die belebte Strasse entlang auf der Suche nach einem freien Platz draussen in einem der Restaurants. Was gar nicht so einfach war. Gelandet sind wir in der ‚Kriek Bierboutique. Merkten wir aber erst nach einem Blick in die Karte, dass man hier ausser Dutzender verschiedener Biersorten fast nichts anderes bekam. Wobei wir froh waren, dass wir überhaupt etwas bekamen. Und auch das erst nach Intervention unseres netten russischen Tischnachbars, der mit den leicht verhungert aussehenden Touris wahrscheinlich Mitleid hatte. 

Überhaupt sollte man ein bisschen aufpassen, was man sagt … sehr viele Menschen in St. Petersburg sprechen Deutsch. Jedenfalls erklärte er uns, dass man heftig winken muss, wenn man was bestellen will, sonst bekommt man nichts. OK, wieder was gelernt. Also die Arme wild geschwenkt (… wäre in der Schweiz oberpeinlich) und in kürzester Zeit landete vor mir ein Erdbeerbier und ein Caesars Salad. Klingt grässlich, oder? Das Erdbeerbier meine ich. War aber gut und erinnerte ein bisschen an Berliner Weisse. 

Die vorbei laufenden Menschen zu beobachten, war wunderbar. Und ein bisschen anders. Ich glaube, ich habe noch selten so viele aufgebrezelte Damen gesehen. Die Röcke sehr kurz, die Absätze sehr hoch, die Einblicke sehr tief. Das Make-up sehr dick. Das soll gar keine Beurteilung sein, sondern nur eine Feststellung von Tatsachen. Andere Länder, andere Sitten …

An diesem Abend nahmen wir ein Taxi zurück ins Hotel, es fing an zu regnen. Und mit 12 Euro war die Fahrt durchaus zahlbar.  

Im Hotel zurück war es wie heim kommen. Das Alexander House empfing uns mit seiner gemütlichen Einrichtung und den heimeligen Räumen.

Lustig war, dass man den Zimmerschlüssel nicht mit nahm. Man klingelte an der Eingangstür und schon wurde einem geöffnet. 

Den Schlummertrunk an diesem Abend nahmen wir im herrlich verwunschenen Garten des Hotels. 

Der nächste Morgen begann mit einem wunderbaren Frühstück. Es war alles da, was man sich nur vorstellen konnte. Die Russen sind berühmt für ihre Süssigkeiten. Ich wusste das schon von den russischen Kollegen, die ab und zu etwas Feines mitbrachten. Und die süssen Kleinigkeiten durften natürlich auf dem Frühstücksbuffet nicht fehlen. 

Diesen Tag wollten wir mit einer privaten Führerin verbringen, mit Olga. Sie wartete wie abgemacht pünktlich um 10:00 Uhr an der Rezeption auf uns. Olga war eine Schiffsbauingeneurin und hatte ein unglaubliches Wissen in russischer Geschichte. Ein etwas … sagen wir … unterkühlter Typ. Draussen empfing uns der Driver und ausserdem ein strahlend blauer Himmel. Allerdings war es recht kühl und die Wetteraussichten für die nächsten Tage versprachen nichts Gutes. Im Gegensatz zu daheim, wo es fast unerträglich heiss war. 

Wir hatten ein dicht gedrängtes Programm und die Fahrt ging zuerst Richtung Katharinenpalast im ca. 30 km entfernten Puschkin. Der Palast wurde für die Ehefrau von Peter dem Grossen, Katharina I, als Ferienhäuschen für den Sommer errichtet. Dunkle Wolken kamen auf und immer näher, was uns zu diesem Zeitpunkt nicht gross störte. Vor dem Eingang zum Palastareal warteten schon grosse Besuchermassen. Einschliesslich halb Japan natürlich. Egal, wir hatten ja schliesslich Olga. Und Olga hatte die Eintrittskarten. Dachten wir. Die verschiedenen, recht guten Internetportale warben schliesslich damit, dass man bei Buchung eines privaten Guide nirgendwo anstehen müsse, da die Führer die Karten jeweils im Voraus besorgen würden (für diesen Service zahlte man ja auch).

An Olga musste das vorbei gegangen sein, irgendetwas hatte nicht geklappt. Offenbar war sie mit jemand verabredet, der die Eintrittskarten haben sollte, der aber weit und breit nicht zu sehen war. Überhaupt hing sie wahnsinnig viel am Telefon, anstatt sich ein bisschen mehr um ihre Gäste zu kümmern. Sie rannte zügig vor uns her und wir mussten schauen, dass wir sie in der Menschenmasse nicht verlieren. Nach einigem Drängeln und Palaver schafften wir es dann doch ohne grosse Wartezeit in das Innere des Palastareals. 

Der erste Anblick des Katharinenpalastes mit über 250 m Länge, ganz in blau und weiss gehalten, war einfach wundervoll. Wir hofften, dass das Gewitter erst losgehen würde, wenn wir die Riesenschlange am eigentlichen Eingang hinter uns gebracht und im Innern des Gebäudes verschwunden sein würden. Nachdem wir auch die Sicherheitskontrollen passiert und unsere Taschen wie auf dem Flughafen durchleutet waren, durften wir endlich die Pracht des Palastes bestaunen. 

Der Prunk der Räumlichkeiten war atemberaubend. Die Goldenen Zimmer von Rastrelli, die privaten Esszimmer, der Grosse Paradesaal … man kann nicht alles aufzählen und erst recht nicht beschreiben, man muss es einfach selbst erlebt haben.

Und dann natürlich … das bis ins letzte Detail nachempfundene Bernsteinzimmer. Wenn ich mich noch richtig an Olga’s Erklärungen erinnere, hat die Zarin um 1770 ihren Gästen diesen ca. 100qm grossen Raum zum ersten Mal präsentiert. Ïm Zweiten Weltkrieg wurde die Bernsteinverkleidung von der Deutschen Wehrmacht … ja, was eigentlich? Geklaut? Wie auch immer, es ist nie wieder aufgetaucht. Mehr als 20 Jahre benötigten Spezialisten, um dieses ‚achte Weltwunder‘ nach Fotografien neu zu fertigen. 

Staunend standen wir vor dem Zimmer, völlig fasziniert von den Hunderttausenden von einzelnen Bernsteinblättchen. Und scharf beobachtet vom Wachpersonal. Leider, leider durfte man nicht fotografieren. Ich bin ja immer mal dafür gut, irgendwelche Vorschriften zu ignorieren, aber hier habe selbst ich mich nicht getraut, ein Foto zu machen. Im Nachhinein habe ich das ein bisschen bereut. Was hätte mir passieren können? Höchstens Sibirien … 😉

Unser mehrstündiger Rundgang durch den Katharinenpalast neigte sich dem Ende zu. Als wir aus dem Gebäude kamen, empfing uns das reinste Horrorwetter. Den Spaziergang durch den Park sparten wir uns also. Trotz Schirm waren wir in Minutenschnelle nass und froh, als der Driver vorfuhr und wir im Trockenen sassen. 

Weiter ging es nach Schloss Peterhof, der ehemaligen Zarenresidenz, auch genannt das ‚russische Versailles‘. Wunderschön gelegen am Finnischen Meerbusen.

Hier verzichteten wir aus Zeitmangel darauf, die Räumlichkeiten zu betrachten, sondern widmeten uns dem prächtigen Fontänenpark. Im sogenannten Oberen Garten und Unteren Park rund um den Palast gibt es an die 150 Springbrunnen und Kaskaden, alle mit einer ganz speziellen Bedeutung. 

Das Wetter hatte Erbarmen mit uns, nach einigen Schauern klärte es langsam auf und wurde wieder wärmer. Nach unserem ausgedehnten Spaziergang durch den Park hatten wir Lust auf einen Kaffee und wollten Olga dazu einladen. Aber offenbar hatte sie andere Pläne. Sie setzte uns ausserhalb der Palastanlage in ein wunderbares russisches Café und schwirrte dann ab …. eines oder mehrere ihrer endlosen Telefonate zu führen. Eine halbe Stunde später sammelte sie uns wieder ein und der Driver – übrigens ein netter, schüchterner, bleichgesichtiger junger Mann – wartete auch schon. 

Auf der Rückfahrt nach St. Petersburg fragte Olga , ob es uns etwas ausmachen würde, wenn sie an ihrem Wohnhaus aussteigen würde. Nein, warum auch. Sie verabschiedete sich knapp und weg war sie. Merkwürdiges Wesen. Der nette Fahrer brachte uns sicher zurück ins Hotel und die Temperatur war sogar so, dass wir draussen im verwunschenen Garten essen konnten. 

Was uns hier erwartete, war die Kirsche auf der Sahnehaube des Tages. Selten habe ich so hervorragend gegessen und ein exzellentes Glas Wein getrunken. Das hatte ich nicht erwartet. Warum eigentlich nicht ?? Um auch noch über den Preis gesprochen zu haben … für unsere Verhältnisse sehr günstig. In der Schweiz hätten wir für dieses wunderbare Abendessen das Doppelte bezahlt. 

Der nächste Vormittag – Samstag – war reserviert für die Eremitage, dem wohl grössten Museum der Welt und direkt neben dem Winterpalast gelegen.

Doch bevor wir dieses Vergnügen hatten, warteten wir darauf, dass Olga und der Fahrer uns abholen würden. Und Olga kam. Allerdings eine ganz andere Olga (… sie hiess wirklich so) als am Vortag. Und die wesentlich nettere, herzlichere Ausgabe. Sie erklärte uns, dass der Ehemann der gestrigen Olga frei hätte und die Gute den Tag lieber mit ihm verbringen wollte, weshalb sie Olga II schickte. Damit tat sie uns allerdings einen grossen Gefallen. 

Olga II war ein warmherziger Mensch, lachte gern und ihr unglaubliches Wissen über die Alten Meister in der Eremitage war höchst beeindruckend. Zu jedem Bild wusste sie Geschichten zu erzählen, so dass wir sie fast bremsen mussten, wollten wir nicht in der Eremitage übernachten. Natürlich haben wir nur einen winzigen Teil der in hunderten von Räumen verteilten Kunstschätze gesehen. Aber was wir sahen … war ein grossartiges Erlebnis, das ich von der ersten bis zur letzten Minute genossen habe. 

Botticelli, Da Vincci, Tizian, eine Skulptur Michelangelo’s, Rembrand’s verlorener Sohn …

Nach mehreren Stunden Eremitage war ich wie erschlagen von den vielen Eindrücken.  Draussen gingen wir vorbei an endlosen Warteschlangen von Menschen, die mit Sicherheit noch Stunden warten mussten, bis sie im Museum waren. Sehr herzlich verabschiedeten wir uns von Olga II, die besorgt fragte, ob sie uns nun auf dem riesigen Platz allein lassen könne. Natürlich konnte sie. Mir schwirrte noch der Kopf von dem gerade Gesehenen und wir suchten und fanden eines der gemütlichen russischen Cafés.

Gestärkt und voll neuer Energie waren wir nun zu einem Shoppingbummel bereit. Um ehrlich zu sein, ich fand diese ‚Prachtstrasse‘ Newski Prospekt jetzt nicht ganz so prächtig. Mit der hier angebotenen, mehrheitlich russischen Mode würden wir daheim auffallen wie ein bunter Hund. Sehr spät, kurz vor Ladenschluss fanden wir noch ein riesiges Einkaufszentrum, das keine Wünsche offen liess. Westliche Wünsche, zugegeben.  Wir kamen aber nicht mehr dazu, sehr viel Geld auszugeben, denn wie gesagt … es war bereits spät und die Passage würde bald schliessen. Aber eigentlich waren wir auch viel zu müde und wollten nur noch ins Hotel zurück. Es reichte gerade noch für Malstifte in Babuschka-Form für Enkelmaus und ein paar schicke Flip-Flops für mich. Ja, ich weiss … die bekommt man ja auch sonst nirgendwo.

Wir beschlossen, zu Fuss zu gehen und ein letztes Mal am Kanal entlang zu laufen. Es ging ein kalter Wind und der Weg zog sich dieses Mal wie Kaugummi und kam mir endlos weit vor. Ich war froh, als das Alexander House in Sicht war und wir nach dem obligaten Klingeln freundlich begrüsst und von den gemütlichen Räumen empfangen wurden. 

Und weil es am Vorabend so nett im Garten war, nahmen wir dort nochmals genau das gleiche Abendessen. Hört sich furchtbar langweilig an, nicht wahr? War aber sooo gut. 

Am nächsten Tag – Sonntag – traten wir die Heimreise an. Dieses wunderbare St. Petersburg wird uns als einer unserer schönsten Kurztrips in Erinnerung bleiben. 

Auf wiedersehen ... до свидания

Eure Sue

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